Tour Life
Mein Leben als Musikerin
Unterwegs in Berlin

Meine Tage in Berlin – nirgends lerne ich so viele Menschen und ihre Geschichten kennen, als wenn ich alleine unterwegs bin und genau das mag ich daran sehr: die sehr jung aussehenden aber schon 80jährigen Annegret, bei der ich 2 Nächte eingecheckt war, die mir vieles über ihren Kiez erzählte, Sylvie, die bestens mit der halben österreichischen Musikszene vernetzt ist und ihr Hund Pepe und ihre Freundinnen, die mir sehr viel über die Stadt vor und während der Wende erzählten, der Fotograph „namenlos", das liebe Team des Art-Stalker (eine wunderschöne Bühne, mit viel Liebe fürs Detail), die Zuhörer*innen meines Konzerts, der Museumswärter der kleinen Foto-Ausstellung im botanischen Haus über belgische Neonazis. Die Orte: der Volksgerichtshof Hitlers ums Eck der Wohnung im Kleistpark, ein kleiner Bücherladen, das Haus, in dem David Bowie wohnte, die „Potze" Potsdamer Straße hoch, zufällig vorbei am Hansa-Studio schon wieder David Bowie!, bis zur Niederkirchnerstraße, wo noch ein Teil der Mauer steht und wo die Topographie des Terrors den Nazi-Terror bis ins Detail zerlegt und es mir jedes Mal kalt wird, wenn Hitler von den Bildern lacht, da ich und er in der gleichen Stadt geboren wurden, und er so viel Unheil brachte, Fotos, von denen die litten, starben, kämpften, aber auch neues wie die „Rote Kapelle" eine Berliner Widerstandsgruppe, zum Tränenpalast, dem Ort, an dem sich Menschen für immer verabschiedeten, weil die einen in den Westen mussten, oder gingen und die anderen blieben, zur Schönhause Allee zu einem Konzert von Spirit Design und dann noch in eine freakige Bar mit alten Menschen, den größten Fernseher, den ich je sah und schon wieder David Bowie. Die Stadt des guten Essens und der tausend Möglichkeiten und die Stadt, wo alles Geschichte ist, wie Annegret richtig betonte. Ich mag dich sehr!
Unterwegs Frankenfels (A), Badeweiler, München, Augsburg, Mannheim, Freiburg, Ludwigsburg, Leipzig (D)

Ich habe Ende August bis Mitte September Wochen sehr viel Zeit im Zug verbracht. Sozusagen fast täglich, denn ich bin zu allen musikalischen Tätigkeiten mit dem Zug gereist. Beginnend mit dem Ende meines Sommer-Trips sind das 13 Mal, wobei ich jedes Mal mindestens 1x umsteigen musste, also bin ich wahrscheinlich 40-mal in einen Zug geklettert und wieder raus. Nein, ich bin nicht mit dem Deutschlandticket gefahren. Aber jedes Mal mit meinem ganzen Equipment, einer E-Gitarre, einem Rucksack und ein wenig Reisezeugs. Ich weiß nicht wie viele Kilos das sind und es ist auch egal, denn ich habe mir das selber so ausgesucht und überlegt. Ich reise gern mit dem Zug, die Menschen, Kulturen, Eigenheiten, die Landschaft, das alles kriege ich im Zug besser mit, als in einem Auto sitzend, abgesehen davon, dass ich Klima Neutral reise. Mittlerweile aber merke ich, dass sich das stetige Gewicht schleppen immer schwerer machen lässt und dass ich gleichzeitig nicht weniger an Elektronik von A nach B bringen möchte. Das ist das Einzige, was mich nervt und beschäftigt, wenn ich mich auf den Weg zu meinen Solo Konzerten mache: diese Art des Reisens tut meiner Gesundheit nicht mehr gut. Was auffallend war: sicher 10 Züge hatten Verspätung, vielleicht kamen 3 pünktlich an, viele hatten 100 Minuten Verspätung, meistens musste ich kurzfristig eine andere Option wählen. Mich wundert es wirklich, dass die deutsche Bevölkerung trotzdem so ruhig bleibt und weiter Zug fährt. Mich wundert es außerdem, warum es in Regionalzüge immer heiß und ungelüftet ist, im ICE aber immer eiskalt, und zwar so, dass ich teilweise gar nimmer weiß, was ich mir noch überziehen soll, um nicht krank zu werden. Die Bahnhöfe in Deutschland sind alle gleich, wenn es sich nicht um die großen handelt: es gibt immer nur Treppen und einem kleinen, immer überfüllten, abgeranzten, kleinen Lift pro Gleis, vor dem lange Schlangen mit Menschen, Kinderwägen, Rädern, Koffern davor. Oft sind die Lifte kaputt, keine Rolltreppen, die gleichen Fressmeilen der gleichen Fressketten und viele Menschen, die rumwuseln und warten. Sie sind schmutzig, trostlos, langweilig. Ein Zeitloch. Die größeren Bahnhöfe sind genauso, nur moderner, mit mehr Liften, Tolltreppen, Einkaufszentren und weniger Schmutz.

Jetzt zu den Städten und Konzerten. Gestartet bin ich aus Leipzig nach Badenweiler, ein kleiner Kurort im Schwarzwald. Ich war 2 Tage im Hotel, in der Sauna, im Hallenbad, im Wald, auf dem „Blauen", am Massagetisch, am Esstisch, im Hotelzimmer. Ich habe ein Faible für Hotelzimmer. Ich liebe es ein Zimmer zu haben, für mich, frische Bettwäsche, einen Fernseher, der sich gleich nach dem Einschalten als sinnlos entpuppt, weil wirklich selten etwas Sehenswertes läuft, wir wissen es. Praktisch alle, die mich am 2. Abend auf der kleinen Hotelbühne gehört haben, haben mich irgendwann vorher nackt in der Sauna gesehen, das ging mir auf, als ich den Soundcheck gemacht habe. Natürlich war dieses Konzert wie die folgenden zwei verregnet und musste spontan indoor aufgebaut werden. Es war berührend, die Zuhörer*innen waren alle sehr, sehr viel älter als ich, aber viele haben zugehört, gespannt gewartet, mir danach zugesprochen, das war wirklich schön. Eine Frau und ihr Mann in der ersten Reihe, ich habe in ihrem Blick gesehen, dass ich ihr gerade Welten eröffne, einfach damit, dass ich als Frau hier stehe mit Gitarre. Die Veranstalterin, die liebe Miriam, entpuppte sich als richtige Fanin und hat sich mit mir wirklich was getraut, das finde ich sehr beeindruckend. Dann kam München. Der Auftritt in München war auf einer Brücke mit einem Schiff drauf: „die alte Utting". Ja das klingt unglaubwürdig! So was habe ich noch nie gehabt. Das Konzert war open air, es tröpfelte dauernd, Freunde kamen vorbei, es war ok. Die Stadt: ich mag München nicht so sehr. Ich habe dort permanent Angst. Ich spüre Kriminalität, die Menschen wirken entweder verrückt oder frustriert oder überspannt. Am Bahnhof ist es besonders schlimm. Jedes Mal das Gefühl: nur schnell weg. Ich durfte im Ruby Rosi schlafen. Ein Ort zum Aufatmen, mit einem kleinen Rosengarten am Dach. Ich bin auch eine Fanin der Ruby Hotels und kann diese nur empfehlen! Am nächsten Tag besuchte ich einen Freund in Augsburg, es tut gut Konzerte mit Besuchen zu verbinden. Dieser Besuch tat besonders gut und ging ganz tief. Dann ging es für einen Zwischenstopp zurück nach Leipzig und von dort aus dann am Mittwoch nach Mannheim. Mannheim ist auch so ein spezieller Ort. Ich habe dort an der Pop Akademie meine Masterarbeit fertig geschrieben. Die Stadt schlägt in die Kerbe München, hat aber natürlich 100x weniger Geld. Sie ist verdreckt, verwahrlost, die Menschen, die Kinder, alle wirken vergessen, ein Moloch, in dem sich die alle aber pudelwohl fühlen. Es scheint alles ziemlich egal zu sein in dieser Stadt, die Stadt der Arbeiter*innen. Warum nicht etwas Schönheit für diese Menschen, die Deutschland den Wohlstand gesichert haben, über Jahrzehnte? Nur für mich befremdlich wie eh und je. Mit dir Mannheim werde ich nicht so warm. Nicht umsonst liebt oder hasst man dich. Damals habe ich einiges entdeckt, was ich liebgewonnen habe und auch dieses Mal: den Stadtteil Neckarstadt und das „Kiosk", das war wirklich was!! Und von dort ging es nach Freiburg, wieder Freunde besuchen. Endlich mal Zeit für euch, Wald und Erholung! Letzte Station dann nach Ludwigsburg. Ehrlich gesagt habe ich nicht viel gesehen. Den Bahnhof, das Hotelzimmer, Einfamilienhäuser, die „Luke". Die Luke war toll. Ein engagiertes Team, ein Publikum, das interessiert und aufmerksam zugehört hat, ein schöner Sound, ein schöner Live Stream. Und die nächste Zugfahrt wartet, ich muss weiter weiter weiter: noch zwei Soloshows in Leipzig!

Warum mache ich das noch immer. Ich könnte musikalisch bequem an den Orten bleiben, an denen ich mich halbwegs etabliert habe. Ich könnte mir die Strapazen sparen. Ich könnte mit meiner so gewonnen freien Zeit etwas anderes anfangen, was mir mindestens so viel Spaß machen würde. Am Berg gehen, zu Hause den Eltern helfen, bei meinem Freund sein, am See liegen, Sport machen, neue Musik schreiben. Warum treibt es mich immer wieder raus. So viel Zeit die ich da im Zug sitze. Zeit die verrinnt, das ewige Warten, unnützes Absitzen von Zeit, ohne Produktiv zu sein. Das Verrinnen von Zeit und das Verändern von Jahreszeiten aus dem Fenster beobachten. Die Einsamkeit, allein unterwegs zu sein. Allein auf und abbauen, an der Bar sitzen, heimgehen, Schlafengehen, aufstehen, essen, wandern, erkunden, Zug fahren, Züge erwischen. Allein die Tour planen, alles buchen, überlegen, ausprobieren, proben. Seit gefühlten Jahren spielen wir nur mehr 45 Minuten, 1 Stunde. Immer die besten Songs (so dachte ich) – jetzt kommen die langen Konzerte zurück, auch Solo, das bedeutet viel überlegen und neu angehen! Früher dachte ich, ich müsste das tun, das „allein touren", um der Welt zu beweisen, meine Musik sei größer als Wien und Österreich. Was sie auch ist! Weil es dazu gehört zu einer Band, das sie auf Tour geht. Und das stimmt auch! Jetzt mache ich es aus Neugier, aus Reiselust, aber in erster Linie aus Lust am Spielen, aus Lust auf der Bühne zu stehen. Aus Lust meine Musik in die Welt zu tragen. Ich weiß der Output der Investition, und damit meine ich die körperliche, rechtfertigt das alles nicht. Aber warum nicht unvernünftig bleiben, solange das geht oder eben vernünftig, den Wünschen folgen, um jung und munter zu bleiben. Ich habe mir ein Solo-Set zurechtgelegt, weil es sich nicht mehr lohnt, als Band zu touren. Weil für mich aber das Touren zum Musikerin Sein noch immer dazugehört. Weil wir als Band zwar einige Konzerte spielen, aber auf Tour gehen finanzieller Unsinn ist. Weil wir nicht mehr 15 sind. Das sind meine Gründe. Deswegen mach ich das und eigentlich waren das drei schöne Wochen mit mir selbst und mit Euch.